Schul-entwicklung – Schulent-wicklung

Freitag, 29. Mai 2020

Am letzten Seminartag hast du eine/die „Säule“ für eine Musikschule kurz skizziert. Ich hab’s nicht mitgeschrieben, da ich die Ausführung in diesem Moment sehr einleuchtend fand und mir gedacht habe, dass ich mir das merken kann. Wie waren die Zusammenhänge?

Betrachte ich den Betrieb Musikschule als Gesamtkonzept, steht für mich außer Frage, dass es ein Zusammenspiel zwischen allen Komponenten geben muss. Musikschule ist für mich keine Institution für ein „Da-geh-ich-solo-hin-und-lern-ein-Instrument“-Verhalten. Vielfach wird sie jedoch so gesehen: In einer Musikschule lernst du ein Instrument.

Ich meine, dass dies nur ein sehr kleiner Teilbereich ist bzw. sein sollte, kann und muss: In eine Musikschule sollte man gehen wollen, um MUSIK zu lernen. Instrumente (auch Stimme/Gesang und Körper/Tanz) sind nur Mittel zum Zweck, um MUSIK auszudrücken. Und hier könnte man ansetzten: Wenn alle Beteiligten (die Pädagogen) in einer Musikschule MUSIK vermitteln wollten und alle Beteiligten (die Pädagogen) auch das Rüstzeug dafür brauchen (wir sprechen hier von Puls/Takt/Rhythmus/Tonhöhen …), sollte man sich überlegen, wie man sich gegenseitig Arbeit abnehmen kann. Man sollte/könnte sich überlegen, wie man einen „Benefit“ für sich und seine eigene Klasse herausnehmen kann. Man sollt sich überlegen, ob ein Schulbetrieb gemeinsame Ziele hat oder haben sollte, ob man als Schule möglicherweise Ziele überhaupt finden oder überdenken sollte und ob man neue Ziele definieren könnte.

Ein Beispiel soll das verdeutlichen:
Nehmen wir an, unser Maxi-Mustermann-Musikschüler, kurz M3, kommt als Kunde in unsere MUSIKschule. Natürlich möchte er ein Instrument lernen. Wenn wir Pädagogen davon wüssten, dass er zwar vordergründig wegen dem Instrument da ist und wir auch wüssten, dass das, was ihm an diesem Instrument so gefällt eigentlich die Art und Weise des Musizierens ist, der Klang der MUSIK, würden wir anders vorgehen.

Wir würden ihm elementares Musizieren anbieten. Parallel dazu würde er an seinem Instrument die ersten Schritte wagen, die didaktisch mit dem elementaren Musizieren in einer Gruppe aufeinander abgestimmt wären. Dann würden wir ihn konsequent und ohne Unterbrechung in den dicken Stamm der Kunde über die MUSIK hinführen, weil wir wüssten, dass ohne diesen Stamm rein gar nichts geht. Daraus würde sich dann im Laufe seiner Entwicklung neben seinem Instrument eine logische Konsequenz des Miteinandermusizierens ergeben, denn er wäre dazu in der Lage. Verlassen würde uns unser M3 nach vielen Jahren als MUSIKer, nicht als Instrumentenhalter mit einstudierten Stücken.

Wir „produzieren“ zu einem Großteil Leute, die nicht selbstständig agieren können, die aufgrund von ständiger Reproduktion nicht eigenständig musikalische denken gelernt haben, die weder eine „Stimme halten können“ noch fähig sind, zu hören, wo es fehlt bzw. was man zu ändern hat. Wenn wir davon wüssten, würden aus „Instrumentenschulen“ MUSIKschulen werde

Die Grafik weiter unten soll verdeutlichen, welche Auswirkungen eine gemeinsame „Sprache“ haben kann bzw. welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Wenn man eine Selbstständigkeit im Sinne einer Ganzheitlichkeit haben möchte, ist MUSIKkunde für mich der Stamm, aus dem alles andere erwächst und entwickeln kann. Ohne die Kunde über MUSIK, geht (wie gesagt) gar nichts. MUSIKkunde erwächst aus dem/wächst auf dem nahrhaften Boden des elementaren Musizierens: Hier wird und muss der Boden vorbereitet werden, damit die Wurzeln der MUSIKkunde gute Bedingungen vorfinden. Hier werden die Wurzeln der MUSIKkunde mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt. Interessant ist hier, dass auch jeder Baum in unserer Umwelt für sein späteres Wachstum immer einen guten Boden für Nährstoffnachschub haben muss, sonst gedeiht er nicht gut.

Aus einem guten Stamm können gute Äste wachsen, aus denen der Baum wiederum gute Blätter, Blüten und Früchte hervorbringt kann. Er bleibt aber immer mit seinen Wurzeln verbunden, ohne sie kann es nicht leben.

Im übertragenen Sinn sind hier mit dem Boden und dem Wurzelsystem alle Bereiche gemeint, die für alle weiteren Entwicklungen eine essenzielle Basis darstellen: Pulsempfinden, Zusammenschluss mit Rhythmen, Tonhöhen. Im Lehrerband für die musikreise, Band 1 bezeichnen wir diese Fähigkeiten als Inneres Hören und Inneres Fühlen. Dies sind keine genetisch bedingten Beigaben unserer Vorfahren, sondern Dinge, die in jedem Menschen liegen und die man in sich entdecken kann.

Und ich möchte diese Ausführungen mit einem Ausspruch beschließen, der uns ermutigen soll, nicht zu warten, bis das nächste „musikalische Wunderkind unsere MUSIKschultüren einrennt“:

Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich zu entdecken.